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Das Bikepacking Adventure Sweet16 wurde von Mark Humme ins Leben gerufen. Da sich die Wiedervereinigung zum 30. Mal jährt, gilt es alle 16 Bundesländer unter die Räder zu nehmen und einen Checkpoint in jedem Bundesland anzusteuern. Das Abenteuer erstreckt sich über 3.200 km und 25.000 hm. Der Untergrund wird als Groad bezeichnet, also Gravel and Road surface!
Alles weitere auf https://www.bikepackingsweetsixteen.de/
Vorbereitung
Ich starte mit dem bewährten Setup wie ich schon zwei Transcimbricen bestritten habe. Also mit meinem Corratec Crosser mit Auflieger, Nabendynamo und USB-Charger im Steuerkopf. Jedoch gibt es über dem Setup der Transcimbrica im März einige Modifikationen:
- Da der Offroad Anteil bei der Sweet16 deutlich größer sein wird, entscheide ich mich für breitere 35mm Reifen, die Entscheidung fällt auf die Continental SpeedKing. Diese sollen neben ihre Geländeeigenschaften auch gut auf Asphalt rollen. Im Nachhinein eine sehr gute Entscheidung, das Rollverhalten auf der Straße als auch der Grip im Gelände ließen nichts zu wünschen übrig. Auch die Pannensicherheit hat überzeugt, nur ein selbstverschuldeter Platten durch einen Durchschlag bei zu wenig Reifendruck auf der ganzen Tour.
- Die Ladeeigenschaften des Plug2 hatten mich nie 100%tig überzeugt, außerdem war wohl durch das viele Wasser bei der letzten Transcimbrica die Elektronik hinüber, die grüne Lampe wollte partout nicht mehr leuchten. Also entscheide ich mich aufzurüsten und bestelle das Nachfolgemodell Plug5 inklusive großem Pufferakku, der im Steuerrohr verbaut wird. Das Navi hängt ständig am Plug5 und der überschüssige Ladestrom fließt in den Pufferakku. In Pausen wird dieser dann genutzt, um Mobiltelefon oder Powerbank nachzuladen.
- Letztendlich musste bei der Wasserversorgung noch aufgerüstet werden. Zwei kleine Trinkflaschen reichen zwar für Dänemark im März, aber sicher nicht für Deutschland im Hochsommer. Also wird noch ein SaddleBag-Stabilizer verbaut, an dem zwei zusätzliche Trinkflaschen Platz finden. So habe ich 2,5 Liter Wasservorrat, was sich auch an den Tagen mit über 30°C als ausreichend herausstellt.
Tag 1: Berlin – Leipzig – Quedlinburg
358,7 km / 1.691 hm
Am Abend vorher war ich mit meinen Kindern noch einmal in einem meiner Lieblingsrestaurants, der Mokkabar, essen und habe mir ordentlich den Bauch voll geschlagen. Auf den Rückweg dann auch noch zwei Pogaca und ein Sesamring vom türkischen Bäcker für die Trikottaschen geholt. Zum Frühstück gibt es noch einen Teller Nudeln und einen weiteren Sesamring mit ordentlich Butter und Pflaumenmus. Sabrina verabschiedet mich in Neukölln und pünktlich geht es um 8 Uhr auf die Strecke. Auf bekannten Straßen geht es raus aus der Stadt und in Brandenburg Richtung Süden, Mellensee, Sperenberg, Stülpe werden passiert. Vormittags wird es schon deutlich wärmer und die 30°C sind bald erreicht, der Rückenwind schiebt mich aber gut voran, bis Leipzig wird ein 30er-Schnitt auf der Uhr stehen.
Bis Bad Düben mache ich keine Pausen, trinke viel und verzehre die türkischen Backwaren aus meinen Trikottaschen. In Bad Düben sehe ich plötzlich eine kleine Kneipe und halte spontan an, gönne mir zwei Bier (ein alkoholfreies) und fülle meine Flaschen auf.
Jetzt beginnen auch die ersten Schotterabschnitte. Der erste CP, die Nikolaikirche in Leipzig wird kurz nach 16 Uhr erreicht. Ich fahre gleich weiter und halte mich nicht länger in Leipzig auf. Aus Leipzig hinaus führt der Weg entlang der Luppe und der weißen Elster. Bei Raßnitz überkommt mich schon wieder Bierdurst, aber der lokale Dönermann hat leider keins, also nehme ich eine Fanta und verdünne sie mit kühlem Mineralwasser.
Kurz vor 19 Uhr erreiche ich Teutschenthal und versorge mich beim Edeka für den Abend. Immer wieder passiere ich die Abraumhalden des Kalibergbaus im Südharz.
Stefan Hähnel warnte uns, dass es bei km 77 (ab Leipzig) einen Privatweg mit unfreundlichen sogar handgreiflichen Artgenossen geben soll. Darauf habe ich keine Lust und versuche die Stelle zu umfahren, das klappt mehr oder weniger gut, zweimal lande ich dabei in einer Sackgasse, irgendwann bin ich dann aber wieder auch auf dem Track. In Burgöner Neudorf lege ich noch einen kurzen Tankstellenstopp ein, gönne mir noch ein Bier, aber ein paar Kilometer weiter kommt Andreas Freidank mit dem Auto vorbei und spendiert mir noch eins, fast etwas zu viel 🙂
Die 300 km sind schon deutlich überschritten, hinter Quedlinburg halte ich Ausschau nach einem Plätzchen für die Nacht. An einer unbefahrenen Straße sehe ich plötzlich eine Anhöhe mit einer Birke oben drauf, das sieht einladend aus. Ich schiebe mein Rad hinauf und breite mich aus. Kaum habe ich mein Essen ausgepackt, bemerke ich Aktivität im Gras, ein paar Ohrenkneifer haben wohl auch Hunger. Die fast leere Bierflasche fliegt dann später in ein paar Metern Entfernung ins Gras, darum können sich die Ohrenkneifer in der Nacht kümmern. Jedenfalls ist erstmal Ruhe. Nachts werde ich von Geräuschen unter meiner Isomatte wach, diese Thermarest Xlite ist wie ein Geräuschverstärker, ist aber nur ein kleiner Käfer.
Tag 2: Wernigerode – Brocken – Weimar – Blankenhain
259,6 km / 2.741 hm
Der Tag beginnt bedeckt, ich werde von merkwürdigen Schreigeräusche aus dem nahen Feld geweckt. Ist das ein Reh oder ein Fuchs? Genaueres kann ich nicht ausmachen. Ich packe meine Sachen, rolle nach Wernigerode und frühstücke an der Tankstelle. In der Zwischenzeit beginnt es auch schon zu regnen, also erstmal die Regenjacke überstreifen. Hinter Werningerode kommt das Gewitter näher, ich stelle mich unter und lasse die grummelnden Wolken durchziehen. Nun geht es endlich hinein in den Harz, die Waldwege schlängeln sich durch den Morgennebel und die hohe Luftfeuchtigkeit stetig aber noch nicht sehr steil bergauf. Wegen dem schlechten Wetter trifft man kaum auf andere Menschen.
Die Eckertalsperre wird erreicht und kurz danach führt die Route über einen Wurzeltrail, bei der Nässe schiebe ich mal lieber. Den Hirtenstieg hatte ich schon beim BrockenNageln dieses Jahr unter die Räder genommen, damals bei Eis und Schnee aber ohne Gepäck. Obwohl ich mich im Anstieg noch mal unterstelle und deutlich mehr Kilos hoch befördern muss, bin ich sogar schneller als im Winter. Im Wiegetritt gehen 34-34 gerade so, ich schaffe es ohne Absteigen das Rad die Rampe hinauf zu drücken, aber das Tretlager knackt wie Sau. Das hatte ich schon gestern unter hoher Last bemerkt, na mal abwarten, wie lange das gut geht. Und ja das Rad war vorher bei der Durchsicht / Wartung.
Nach Schierke geht es weiter über die herrlichen Betonplatten der Kolonnenwege der DDR Grenztruppen. Hinauf ist das ja noch in Ordnung, aber wenn man herab nicht Rollen lassen kann, sind diese Wege schon zum Abgewöhnen. Dem Grenzweg wird noch weiter bis zur Rauhen Höhe gefolgt, dann gibt es endlich wieder Asphalt
Hinter Appenrode fängt es mal wieder kräftiger an zu regnen, ich biege kurz in den Wald ab und suche Zuschlupf unter einer großen Buche. Ein Blick aufs Regenradar zeigt aber, das könnte länger dauern. Leider bekommt auch das Rad viel Regen ab. Als der Regen etwas nachlässt, rolle ich wieder los, aber das war wohl zu viel für die Ladebuchse, hatte sie nicht verschlossen, der USB-Charger liefert keinen konstanten Ladestrom mehr 🙁
Beim Rumprobieren mit der Stromversorgung stürzt dann auch noch der Wahoo ab, nach dem Herstellen der Aktivität sind die Tages-km wieder auf Null, alle anderen Zahlen sind aber noch da. Was ist denn heute los?
In Rottleberode beschließe ich eine Mittagspause einzulegen und die Klamotten etwas zu trocken. Der lokale Döner wird angesteuert und eine große Pizza verspeist. Langsam ziehen die Wolken ab und die Sonne kommt auch wieder raus. Die Talsperre Kelbra kommt in Sicht und in Bad Frankenhausen befinde ich mich plötzlich wieder auf bekanntem Terrain, letztes Jahr führte der 600er Brevet hier entlang.
In Heldrungen lock die Tankstelle noch einmal zu einem kurzen Stopp, danach wird es wieder steiniger, der Track führt durch die Hohe Schrecke. Irgendwann geht es lange hinauf zur Gedenkstätte Buchenwald, die untergehende Sonne und die menschenleeren Anlagen verbreiten eine gespenstische Stimmung.
Mit Schwung geht es hinunter nach Weimar, von der Stadt sehe ich nicht viel, der Track verläuft durch den Ilmpark und über andere Nebenstrecken. Ich bin schon wieder fast raus aus der Stadt, aber benötige eigentlich noch etwas Verpflegung für den Abend. Also GoogleMaps aktiviert, wieder 5 km hinein nach Weimar gerollt und eine Jet Tankstelle geplündert. Da es heute den ganzen Tag weniger optimal lief, nehme ich die Bundesstraße nach Bad Berka, um wieder auf den Track zu gelangen.
Ein Polizeiauto kommt vorbei und weist mich auf den Radweg neben der Straße hin. Ich erwidere, dass wenn man ortsunkundig ist, die Schilder im Dunkeln nicht sehen kann, wenn diese 20m neben der Straße stehen, bedanke mich aber für den Hinweis und wechsle auf den Radweg. Im allgemeine habe ich die Radwege außerorts auch bevorzugt, da diese in der Regel gut asphaltiert sind, innerorts bevorzuge ich jedoch die Straße, da ich keine Lust auf Bordsteinkanten-Hopping und Ausfahrten-Auf-und-Ab habe.
Hinter Blankenhain führt der Track ein Feld hinauf und kurz vor dem Waldrand kommt ein kleiner Unterstand in Sicht. Ich denke kurz nach, beschließe aber, für heute Schluss zu machen. Auch wenn ich gegenüber gestern 100km weniger geschafft habe, hatte das doch seine Gründe, viel Regen, mehr Höhenmeter, oft angehalten, Elektronik versagt.
Ich widme mich noch einmal meiner feuchten Elektronik, baue den Steuerkopf ab, drücke ein paar mal die Reset-Taste, der Plug5 bootet mit einem schönen Lichtspiel aller seiner Farben. Trotzdem will sich kein konstanter Ladestrom einstellen, obwohl der Pufferakku zu 100% voll ist. Ich lasse alles über Nacht auseinandergebaut liegen und hoffe, dass es bis zum Morgen etwas trocknet und sich die Situation dann verbessert.
Tag 3: Mödlareuth – Coburg – Rhön
295,1 km / 3.836 hm
Am Morgen beginnt wieder das Spiel mit dem Steuerknopf und der Elektronik, er will immer noch nicht laden, aber nachdem ich ihn noch ein paar mal abgeschraubt habe, liegt plötzlich wieder konstanter Ladestrom an. Die Tour ist gerettet 🙂
In Krölpa gönne ich mir mein Frühstück, die Auswahl an belegten Brötchen ist nicht sehr groß, es gibt nur Mettbrötchen beim Stand des lokalen Fleischer, wir sind schließlich in Thüringen, Rainald Grebe kommt mir wieder in den Sinn. Aber das Doppel-Mettbrötchen mit Gurken und Zwiebeln ist richtig lecker.
Nach dem Frühstück ist bald der Hohenwarte Stausee erreicht, die Straße schlängelt sich malerisch am Stausee entlang und dieser Abschnitt gefällt mir besonders gut, auch wegen des geringen Autoverkehrs. Nach einigen Serpentinen bergauf geht es hinab nach Saalburg und weiter an der Saale entlang. Noch ein paar Rampen sind zu überwinden bevor Mödlareuth aka “Little Berlin” erreicht wird.
Es folgen weitere bekannte Ortsnamen wie Hirschberg aus DDR-Transit-Zeiten bevor Bayern erreicht wird. In Issigau erspähe ich einen einladenden Gasthof am Schloss, leider gibt es Mittag erst ab 14 Uhr, solange möchte aber nicht warten, also rolle ich weiter. In Bobengrün komme ich an einem Lebensmittelautomaten vorbei, da ich nicht viel Kleingeld dabei habe, reicht es nur für ein naturtrübes alkoholfreies Bier. Aber mit den Einkäufen vom morgigen Bäcker gibt es eine kleine Brotzeit auf der nächsten Anhöhe.
Jetzt wird es auch wieder flacher, entlang der Rodach rolle ich auf Rad- und Schotterwegen Richtung Kronach / Coburg. In Ebersdorf gönne ich mir meine Mittagspause, mal wieder Pizza vom Dönermann. In Tambach lasse ich nochmal einen Regenschauer durchziehen und stelle mich im Eingang des Gemeindehauses unter.
Nach Coburg wird die Infrastruktur deutlich dünner, ich passiere viele Ortschaften, aber alle haben weder eine Tankstelle noch einen Supermarkt. GoogleMaps wird mal wieder bemüht und eine Tankstelle in Bad Königshofen angesteuert, um den notwendigen Abendbedarf zu decken. Ich schaue mir den weiteren Verlauf des Tracks an und komme zu dem Schluss, dass die Rhön heute noch zu schaffen ist. Um 22 Uhr erreiche Schönau an der Brend, der Einstieg in die Rhön.
Bald komme ich zu einer Weggabelung, links dem Schotterweg folgen oder dem Track der direkt in einen Wurzel-Trail führt? Ich entscheide mich für den breiten Schotterweg, der aber leider in einer Sackgasse endet, hier sind die Zoom-/Detail-Ansichten des Wahoo wirklich zu beschränkt. Die ganzen Höhenmeter wieder hinunter? Nein. Also das Rad geschultert und 200m im Dunkeln (mit Stirnlampe) durchs Unterholz gestapft, und da war ich wieder auf dem Track. Ich folge weiter dem Track und gelange auf eine MTB-Downhill-Passage mit groben Geröll und vielen Wurzeln, die bergauf nur schiebend zu bewältigen sind. Ich frage mich, was hat derjenige, der diesen Track gebaut hat, hier nicht verstanden? Wir wollen mehr als 3.000 km zurücklegen, das geht aber nicht auf solchen Wegen, insbesondere wenn es schöne Schotterwege parallel dazu gibt.
Nach zwei Stunden spuckt mich die Rhön kurz vor Wildflecken schließlich wieder aus. Ich lande direkt auf einem Parkplatz für Wanderer. An der dortigen Bank schlage ich mein Nachtlager im Mondlicht auf. Es ist die kälteste Nacht der ganzen Tour, ich habe mich mit Regenjacke, Arm- und Beinlingen im Schlafsack verkrochen und trotzdem leicht gefroren. Das liegt aber auch wohl daran, dass ich mich noch auf über 700m befinde.
Zum zweiten Teil
5 Responses
Sehr schöner Bericht. Verfolge Dich Gerald über Strava seit Monaten. Bin selbst in der Langstrecke unterwegs. Weiter so,
Alex
Macht Lust auf Abenteuer,schön geschrieben
Hey ho Gerald, maximalen Respekt, ich war schon beim Strava-Tracking schwer beeindruckt. Mit den Fortsetzungen aber nicht zu lange warten, ich bin schon gespannt, wie es weiter geht:-))
Grüße
Michael
danke Michael, Teil 2 ist schon in Arbeit und sollte heute noch online gehen
Spannender Blog Gerald, schöne Bilder und auch Bezug auf die Technik! Da kommt Fernweh auf. Weiterhin gute Fahrt und gute Beine!