Mehrtagestour oder Meer-Tagestour

Das Abenteuer Bernauer Heerweg ist bestanden. Es haben sich über 30 Radbegeisterte für das recht kurzfristig angekündigte Event angemeldet und sich auf eine Zeitreise entlang des mittelalterlichen Bernauer Heerwegs begeben.

Unsere Strecke rekonstruiert die alte Verbindung der Markgrafen aus dem Geschlecht der Askanier von der Festung Spandau in den Barnim und weiter bis zur Ostsee. Diese Idee, alte Straßen mittels historischer Karten zu rekonstruieren und als Strecken fürs Bikepacking wiederzuentdecken, machte inzwischen sogar schon Schule.

Es stand zur Auswahl entweder eine Mehrtagestour mit Übernachtung zu unternehmen, oder eine Meer-Tagestour aus der Route zu machen und bis Stettin in einem Parforceritt durchzufahren. Die Entscheidung darüber war den Teilnehmenden selbst überlassen. Einige fuhren zudem noch über einen ‚hidden Bonustrack‘ per Rad zurück und verbrachten somit gleich drei Tage auf dem Rad.

Der Start an der Zitadelle Spandau

Wir hatten großes Glück mit dem Wetter. Auch wenn es am Morgen noch recht frisch war, zeigte sich der Spätsommer nochmal von seiner besten Seite und ließ das Thermometer auf über 25°C steigen — ideal zum Radfahren. Am Start gab es ein gemeinsames Frühstück und es konnten sehr unterschiedliche Räder bestaunt und über Ausrüstung philosophiert werden.

Aus Berlin heraus ging es nahezu asphaltfrei zunächst parallel zur alten Ausfallstrecke Bernauer Straße und der Havel, später entlang versteckter grüner Wege durch das Märkische Viertel zum ehemaligen Dorf Lübars. Obwohl die Strecke mitten durch die Stadt führte, konnte man so bereits hier etwas Natur genießen.

Durch die Bernauer Stadtmauer bis nach Eberswalde

Bis Bernau waren noch einige größere Gruppen unterwegs. In Bernau ging es unter anderem mitten durch die historische Stadtmauer. Die Stadtgründung von Bernau datiert auf Anfang des 13. Jahrhunderts zurück, bekannt war die Stadt besonders für ihre Bier- und die Tuchproduktion. Zudem war die Stadt ein wichtiger Etappenhalt für Händler, Reisende, oder auch für Truppenbewegungen, da hier Pferde getränkt und versorgt werden konnten.

Ab Bernau zerstreute es sich unser Feld dann zunehmend in Neigungsgruppen, die jeweils ihr eigenes Tempo fuhren.

Die Strecke führte von dort an über dünner besiedeltes Gebiet und über die alten Verbindungsstraßen der Dörfer nordöstlich von Berlin. Für einige war in Eberswalde die erste richtige Pause. Dort trafen wieder Grüppchen zusammen und es wurden erste Erfahrungen ausgetauscht. Gäbe es doch auch in Berlin so gute Bäckereien wie in Eberswalde!

Zwischen Spandau und Eberswalde lässt sich der Routenverlauf der alten Bernauer Heer- und Handelsstraße recht genau rekonstruieren. Ab Eberswalde und dann vor allem Oderberg ist dies schwieriger. Zudem änderte sich der Verlauf über die Jahrhunderte u.a. durch Stadtneugründungen, sodass man im Grunde im Plural von „Heerwegen“ sprechen müsste.

Ab Oderberg wurde teils auch der Wasser- statt des Landwegs gewählt und speziell schwere Güter oderabwärts weiterverschifft. So entstanden zwar Zollpflichten für die Güter, allerdings konnten so die Waren schneller ans Ziel gebracht werden. Der Bärenkasten in Oderberg war eine dieser Zollstationen, bevor die Kanalisierung und Trockenlegung in der Region voranschritt. Denn ursprünglich floss die Oder direkt an der Burg vorbei. Heute liegt die Festung versteckt in einer Kleingartenkolonie.

Apropos Hügel: wer dachte, an der Oder sei es flach und einfach zu fahren, der wurde eines Besseren belehrt. Hier schlängelte sich der Track bis nach Mescherin immer wieder an den Hängen des Odertals entlang. Berkenswert ist hierbei besonders der Sandberg Pimpinellenberg, der eine großartige Aussicht über das Tal erlaubt. Das Natura 2000 Schutzgebiet mit wertvollen Trockenräsen hat auch eine spannende Geschichte hat: der Pimpinelle, auch bekannt als Kleiner Wiesenknopf, wird nachgesagt während des Dreißigjährigen Krieges der Pest in Oderberg Einhalt geboten zu haben. Der Sage nach war es ein weißer Rabe, der den Hinweis Botschaft vom Heilmittel verkündete.

Im Oderbruch gab es einen kleinen Schwenker zum ehemaligen Kloster am Parsteiner See. Hier mussten die ersten Wellen überwunden werden. Wem die Hügel nichts ausmachten, für den gab es zusätzlich noch einige Kopfsteinpflasterpassagen zu meistern. Letztere sollten die Teilnehmenden im gesamten Tourenverlauf immer wieder begleiten.

Die meisten fanden um Schwedt oder Mescherin herum Unterschlupf, bevor am nächsten Tag die Oder überquert wurde und es auf der polnischen Seite nach Stettin, dem Etappenziel weiter ging. Hier machten wir einen Abstecher zum Krzywy Las, dem ‚Krummen Wald‚. Hier versammeln sich in einem kleinen Waldstück ursprünglich 400 deformierte Kiefern, deren Aussehen die Betrachter rätseln lässt. Schwere Panzer im Zweiten Weltkrieg, ein Unfall im nahegelegenen Kraftwerk, ein Ufobesuch, oder schlicht menschlicher Einfluss beim Wachsen werden unter anderem als mögliche Ursachen diskutiert.

Weiter Richtung Szczecin (Stettin) fährt man durch das wunderschöne Natura 2000 Reservat „Stettiner Berge“. Von der Ostseite der Oder gibt es dann leider nur zwei Verbindungsstraßen in die Stadt, die beide sehr stark befahren sind. Hat man diese jedoch endlich hinter sich gelassen, war man schnell in der Altstadt Stettins. Am Schloss der pommerschen Könige sollte die Reise für viele zu Ende gehen. Schließlich in Stettin angekommen, lockt die wunderschöne Altstadt mit Cafés, Burgen, dem Hafen und idyllischen Parks.

Retour nach Berlin

Einige Mutige sind von hier aus auch noch den Heimweg per Rad angetreten. Dieser war ein kürzerer alternativer Weg nach Bernau, der viele kleine Ortschaften in Vorpommern und der Uckermark mit einst größeren Anwesen und Herrenhäusern passierte. Diese sind oft romanisch verfallen.

Egal wie man die gesamte Reise angetreten ist, ob nun an einem Stück, oder über mehrere Tage. Das Event war ein voller Erfolg und hat viel Spaß gemacht! Wir danken allen, die teilgenommen haben und den Scouts (Fabian, Hannes, Sascha, Till und Tim), die die Streckenvarianten zuvor erkundet haben.

2 Responses

  1. Zu den komisch gewachsenen Bäumen eine Idee: In Dänemark gab/gibt es einen ähnlichen Wald, das Holz dieser Bäume war für den Schiffbau vorgesehen. Man brauchte nicht mit Dampf das Holz geschmeidig machen und dann biegen, man konnte das direkt so verwenden, ohne die Faserstruktur/Festigkeit zu gefährden. Weiß aber nicht, ob das für den Wald Krzywy Las auch gilt…

    Danke für die Eindrücke, müsste ich mal als Strecke nachbauen und dann abradeln.
    Gruß
    Christoph

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