Kreuz und quer um Westberlin –

Eine Neuinterpretation des Mauerwegs


03.10.
8:30

Startort
„Bruderkuss“ Eastside Gallery

Distanz ca. 160km

Anstieg
ca. 800hm

Geländeanteil
ca. 85%

Schwierigkeit
7/10

Idee & Strecke

Berlin ist längst wieder eine Stadt. Die Mauer steht nicht mehr. Doch ihre Spuren sind geblieben – mal sichtbar, mal versteckt. Reste der Betonsegmente, vereinzelte Wachtürme, Schneisen durch den Wald, Freiflächen im Umland.

Der offiziell ausgewiesenen Mauerweg versucht, diese Spuren zu verbinden. Ihn kennen vermutlich alle, die in Berlin ein Fahrrad, Inlineskates oder einen Hund besitzen. Besonders am Feiertagswochenende ist der Weg daher stark überlaufen und es wäre kaum verantwortlich ihn zu befahren. Auch ist das Profil des offiziellen Mauerwegs sehr gemischt, Abschnitte mit Flüsterasphalt (wie auf der Ostkrone), wechseln sich ab mit Schotterpassagen und rumpeligen Teilabschnitten, die fast ein MTB erfordern. Der Mauerweg eignet sich daher für alle Radtypen ein wenig, aber eben auch für keinen so richtig.

Wir wollen daher eine eigene Linie fahren: abseits der offiziellen Route, durch Waldstücke, über Feldwege, entlang von Relikten. Unsere Strecke bleibt der historischen Länge von rund 160 Kilometern verpflichtet, aber sie wählt abwechslungsreichere Wege.

So wird die Tour zu einer Mischung aus Fahrspaß und Spurensuche – Landschaft, Geschichte und Erinnerung im Rhythmus der Pedale.

Warum am 3. Oktober?

Der 3. Oktober ist der staatlich verankerte „Tag der Deutschen Einheit“. Dass er nicht am 9. November liegt, ist kein Zufall: An diesem Datum fiel 1989 die Mauer, doch am 9. November 1938 fanden auch die Novemberpogrome statt – Tiefpunkte der deutschen Geschichte. Befreiung und Verbrechen in einem Datum: zu ambivalent für eine Jubelfeier.

Der 3. Oktober wirkt dagegen „sauber“ – Einheit, Nation, Erfolgsgeschichte. Aber gerade diese Glättung ist problematisch. Denn sie überdeckt Brüche, Opfer und die Zumutungen der Wendezeit.

Unsere Fahrt versteht sich deshalb nicht als Festakt. Wir fahren auch, um die Spuren der Teilung kritisch wahrzunehmen. Nicht mit Pathos, sondern mit offenen Augen.

Radfahren als Aufklärung

„Ich verstehe Ihre Frage so, dass es Menschen in Westdeutschland gibt, die wünschen, dass wir die Bauarbeiter der Hauptstadt der DDR mobilisieren, um eine Mauer aufzurichten, ja? Mir ist nicht bekannt, dass [eine] solche Absicht besteht, da sich die Bauarbeiter in der Hauptstadt hauptsächlich mit Wohnungsbau beschäftigen und ihre Arbeitskraft dafür voll ausgenutzt wird, voll eingesetzt wird. Niemand hat die Absicht, eine Mauer zu errichten.“

Walter Ulbricht

Radfahren ist kein Mittel für platte Botschaften. Aber Radfahren kann Geschichte aufklären und erfahrbar machen. Kilometer für Kilometer, auf Wegen, die einst Grenzland waren.

  • Beim ehemaligen Grenzturm an der Niederneuendorfer Allee wird deutlich, wie dicht die Überwachung war.
  • Am Stelenfeld der Bernauer Straße erinnern Bilder und Namen an die Mauertoten.
  • Entlang des Schönholzer Heide-Abschnitts zeigt sich der Todesstreifen als breite, leere Schneise.
  • In Marienfelde führt der Weg vorbei an der Erinnerungsstätte Notaufnahmelager, wo Zehntausende Geflüchtete ankamen.
  • Am Griebnitzsee und in Kleinmachnow wird spürbar, wie sehr die Mauer auch Natur und Nachbarschaften zerschnitten hat.
  • Und immer wieder tauchen Reste auf: Betonsegmente, Grenzpfähle, Schilder – Fragmente einer Grenze, die Europa einst teilte.

Wer diese Strecke an einem Tag fährt, spürt die Dimension körperlich: 160 km Grenze, 800 Höhenmeter, Asphalt und Schotter, Wind und Wetter. Radfahren macht begreifbar, was Zahlen allein nicht vermitteln.

Die Geschichte der Berliner Mauer und ihre Überreste

Der Bau dieser Mauer begann am 13. August 1961, anschließend wurde der „Antifaschistische[] Schutzwall“ in mehreren Stufen über Jahrzehnte ausgebaut. Vom 13. August 1961 bis zum 9. November 1989 teilte die Berliner Mauer die Stadt auf 155 Kilometern. Betonplatten bis zu 3,6 Meter Höhe, Stacheldraht, Hundelaufanlagen, Minenfelder, Lichttrassen, Selbstschussanlagen und ein bis zu 150 Meter breiter Todesstreifen machten sie zu einer der härtesten Grenzen der Welt.

Über 100 Menschen starben beim Versuch, sie zu überwinden. Hunderte wurden inhaftiert, Tausende verfolgt.

Heute sind nur noch wenige Relikte erhalten:

  • die East Side Gallery,
  • die Bernauer Straße mit Gedenkstätte,
  • vereinzelte Wachtürme,
  • Reste an Orten wie Hohen Neuendorf oder Treptow.

Vieles verschwand still, anderes wurde für Bauprojekte geopfert. Der Todesstreifen lebt weiter als Bruchlinie im Stadtbild.

Unsere Route folgt diesen Spuren. Sie ist eine Fahrt entlang von Erinnerungsorten, Narben und Leerstellen – kritisch, respektvoll, aufklärend.

Haltung

Unsere Fahrt grenzt sich klar ab:

  • von Nationalismus, der die Wiedervereinigung als makellose Siegesgeschichte feiert.
  • von Ostalgie, die die Diktatur verklärt und Mauertote vergisst.
  • von Totalitarismus jeglicher Couleur, egal ob im Namen von Nation oder ismen.
  • von wirren Verschwörungserzählungen, die Geschichte verzerren.

Jede Verklärung, jede Instrumentalisierung wäre eine Verhöhnung der Opfer. Wir fahren im Gegenteil, um ihr Schicksal respektvoll sichtbar zu machen.

Ablauf

  • Tagesausflug mit kurzen Supermarktstopps (im Track markiert).
  • Ausstieg jederzeit möglich – zahlreiche Bahnhöfe liegen an der Route.
  • Profil ermöglicht eine zügige, konstante Fahrt.

Hintergrund

Radfahren macht Geschichte nicht einfacher. Aber es macht sie spürbar.
Aufgrund der Länge müsst Ihr zweingend gutes Licht einzupacken. Es wird bereits früh dunkel.

Treffpunkt


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Anmeldung

Teilnahmebedingungen

Rücksicht: Feiertag bedeutet volle Wege. Rechnet mit Spaziergänger*innen, Hunden, Pferden. Fahrt respektvoll.

Helm obligatorisch. Dazu Ersatzschlauch, Pumpe/CO₂, Multitool, Riegel, Wasser, Wetterschutz.

Bikes: Gravel & Cyclocross bevorzugt, sportliche MTBs willkommen.

Miteinander: Wir starten zusammen, wir kommen zusammen an. Jede*r fährt auf eigene Verantwortung.